systemisch.net
Home > Gedankenregister > Kundschafter, Kundige, Kunden


Home

Gedankenregister

Literatur

Satire

Timeline

Postkarten

Links

Kontakt

 


Systemisches Gedankenregister:

Kundschafter, Kundige, Kunden


Kunden als den Professionellen gleichrangige Experten anzusehen (z. B. Deissler 1988) bzw. als Kundige (Hargens 1993), ist in der systemischen Theorie nicht ganz neu. Durch das Internet bekommt dieses Konzept jedoch eine neue Facette: Wir treffen bei unseren Patienten zunehmend auf Eltern, die nicht nur Eltern-Experten und Familien-Experten sind, sondern auch über detailliertes Wissen bezüglich mancher Störungsbilder verfügen: So gibt es im Internet lebhaften Informationsaustausch zwischen Eltern mit Kindern, bei denen ein Hyperkinetisches Syndrom oder ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom diagnostiziert wurde (Spitczok von Brisinski 2000), nicht nur über eigene Erfahrungen, sondern auch über Wissen, das sie von den Behandlern ihrer Kinder, Vorträgen, Büchern oder Internetseiten erlangt haben. Einige dieser Eltern führen auch selbst Recherchen in Fachzeitschriften-Datenbanken durch, wie z. B. in MEDLINE aus der National Library of Medicine der USA oder gelangen auf anderen Wegen an aktuelle Informationen. Dadurch sind sie z. T. kundiger als die Therapeuten, mit denen sie es zu tun haben.

Dieses Wissen nicht als Behinderung unserer pädagogischen und therapeutischen Arbeit zu betrachten, sondern als starke Ressource und als Möglichkeit, als Behandler zusammen mit den Kunden zu wachsen, stellt immer wieder eine Herausforderung dar. Nach der Einführung des Konzepts der Kundenorientierung (Rotthaus 1990), der Kundigkeit (Hargens 1993), der vehementen Kritik an der Verwendung des Begriffs ‚Kunde' für Patienten (Kloiber 2000) und des Plädoyers für den ‚kundigen Patienten' (Hoppe 2000) bieten sich nun weitere begriffliche Alternativen: ‚der kundigere Patient', ‚der kundigere Klient' und ‚der kundigere Kunde'.


aus: Spitczok von Brisinski, I. (2001): Ist die Zukunft das Land, das der Station gehört? Oder ist die Station das Land, das niemandem gehört? Ethnologische und politische Metaphern zur Kontextgestaltung stationärer systemischer Kinderpsychotherapie. In: Rotthaus, W. (Hg.) Systemische Kinder- und Jugendpsychotherapie. Heidelberg: Carl Auer.

Siehe auch Verordnen, Lösungsorientierung und Kundendienst



weitere Literatur:

Deissler, K. G. (1988): Menschenskind, wie kann man systemische Therapiekontexte konstruieren? Arbeitsblätter zur Systemischen Therapie 2ter Ordnung. Marburg (In FaM).

Hargens, J. (1993): KundIn, KundigE, KundschafterIn. Gedanken zur Grundlegung eines "helfenden" Zugangs. Zeitschrift für systemische Therapie 11 (1): 14-20.

Hoppe, J.-D. (2000) Der Kunde Patient? Rheinisches Ärzteblatt 54 (79), 3.

Kloiber, O. (2000) Patienten sind keine Kunden. Deutsches Ärzteblatt 97 (5), B-199.

Rotthaus, W. (1990): Stationäre systemische Kinder- und Jugendpsychiatrie. Dortmund (verlag modernes lernen).

Spitczok von Brisinski, I. (2000): Internet für Kinder- und Jugendpsychiater Folge 3: Hyperkinetisches Syndrom u. ä. Forum der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie 10 (1): 13-14.




systemisch.net
http://www.systemisch.net/ © 2001 Ingo Spitczok von Brisinski